Stressfrei schlemmen dank Instinkt
Ernährung: Premium bitte – aber Futterplatz nicht vergessen!
Das Katzen-Personal investiert inzwischen gerne in hochwertiges Nassfutter – sehr löblich. Doch bei der Futterplatzgestaltung herrscht oft noch Steinzeit. Viele von uns werden gefüttert, wie es unserer Natur komplett widerspricht. „Meine Katze frisst gut“, heißt es dann. Schön und gut, aber „gut fressen“ ist noch lange nicht „artgerecht fressen“.
2 Katzen, 2 Näpfe, eine Treppe – klingt friedlich, ist aber Tücke im Detail
Bis vor kurzem bekamen Ulysseus und ich täglich vier bis fünf Mahlzeiten. Zwei Näpfe unter der Treppe, Blick an die Wand – „herrlich ruhig“, dachte unser Personal. Wir fraßen, ja. Wir überlebten, auch. Streit? Fehlanzeige. Ab und zu nascht der eine vom Napf des anderen – alles easy… nach außen.
Minisignale, die niemand sah
Wir sprachen katzisch, unser Personal hörte lange nicht hin. Ich mied meinen Napf, sobald Ulysseus fraß – Hunger hin, Hunger her, meine Individualdistanz wollte gewahrt sein: ein typisches Meideverhalten, wie es in Verhaltensbüchern nachzulesen ist. Ulysseus drehte sich zunehmend so, dass sein Rücken zur Wand zeigte und er den Raum überblickte – eine sogenannten Kopfschutzhaltung, die Schutz gegen Angriffe von hinten bietet. Und er fraß oft so schnell, dass er sich danach mehrmals übergeben musst.
Fachbegriff: unterschwelliger negativer Stress.
Stress ist kein Luxusproblem
„Aber die faulenzen doch den ganzen Tag!“, höre ich euch. Ja, das Sofa ist bequem, die Terrasse toll – trotzdem ist Dauerstress Gift. Er schwächt unser Immunsystem, löst Krankheiten aus und fördert Verhaltensprobleme. Erbrechen, Durchfall, Futterverschleppen, Mäkelei: alles Mögliche Stress-Symptome. Studien zeigen, dass wiederkehrende Blasenprobleme, Nierenprobleme, Übergewicht, Diabetes und sogar Asthma durch Stress begünstigt werden.
Warum? Weil wir mehrmals am Tag eine für uns katzenwidrige Situation aushalten müssen. Um unser Grundbedürfnis nach Nahrung zu befriedigen, müssen wir uns mehrmals täglich in eine Situation begeben, die wir nicht kontrollieren können. Eine Situation, die unseren Instinkten zuwiderläuft.
Klar, wir fressen – aber eben oft widerwillig und nur notgedrungen. Wir können nichts an der Situation ändern und verhungern wollen wir ja schließlich auch nicht.
Bitte kein Einheitsbuffet an der Wand
Warum muss unsere Fütterung eigentlich anders laufen? Unser Erbgut ist alt und ist nicht einfach abzustellen oder anpassbar.
In der Natur jagen wir allein – bis zu 15-mal täglich. Beute wird nicht geteilt, Wasser und unsere „Toilette“ liegen weit entfernt, und wir behalten beim Fressen die Umgebung im Auge. Wir achten dabei auf mögliche Fressfeinde und behalten unsere Umgebung selbst beim Fressen immer fest im Blick. Wir fressen direkt vom Boden, nicht aus Mulden, die unsere Schnurrbarthaare stören. Kitten teilen ihre Mahlzeiten nur kurz – erst an Mamas Milchbar und wenn die Mutter die Beute bringt, um uns die ersten Jagdlektionen zu erteilen. Danach gilt: eigene Beute, eigener Platz.
Unser Ideal: Natur zum Vorbild nehmen
Wie sieht jetzt unser idealer Futterplatz aus? In einem Mehrkatzenhaushalt brauchen wir getrennte Näpfe und getrennte Futterplätze. Die Näpfe gehören nicht an die Wand, sondern etwas ins Zimmer, damit wir mit dem Rücken zur Wand sitzen können. Als potenzielle Beute brauchen wir dieses Sicherheitsgefühl, welches angeboren und nicht einfach abzuschalten ist. Auch möchten wir möglichst keinen Sichtkontakt zu anderen Katzen, denn eine intensiver Blickkontakt wird in unserer Katzensprache als Drohung oder Zeichen von Aggression interpretiert. Auch wenn wir schon lange zusammenleben und unsere Mitkatzen kennen unsere Katzensprache ist seit Jahrtausenden dieselbe.
Unser Wassernapf und das stille Örtchen gehören bitte nicht in die Nähe unserer Näpfe. Man stelle sich vor, ihr würdet euer Mittagessen neben dem WC einnehmen – absurd, oder?
Tammy’s Tipp
Nicht jeder hat eine riesige Wohnung, doch auch in kleinen Räumen lässt sich unsere Futterplatz-Trennung erreichen. Höher angeordnet, auf einem Sideboard/Tisch/offenem Regal – so haben wir keinen Blickkontakt, aber genug Platz zum ruhigen Fressen. Diese Lösung ist allerdings nur für körperlich gesunde Samtpfoten geeignet.
Wir Samtpfoten sind sogenannte Häppchenfresser. Mäuse sind schließlich keine Festtagstruthähne. Wir fressen lieber über den Tag verteilt kleine Portionen. Mindestens drei bis vier Mahlzeiten am Tag, für die weiseren Semester unter uns eher fünf bis acht. Und das versteht sich doch von selbst: Ein ruhiger Futterplatz ist Pflicht, nicht Kür.
Die Jagd – unser Hochleistungssport
In freier Wildbahn verlangt uns die Beute alles ab: Muskeln, Sinne, Köpfchen – alles Läuft auf Hochtouren. Mäuse marschieren nicht im Schichtplan vor unsere Nase, und schon gar nicht immer dieselben Kaliber. Jede erfolgreiche Jagd schüttet Glückshormone aus und fordert uns körperlich wie geistig. Verglichen damit ist der durchschnittliche Napf daheim… sagen wir höflich: eine Schlaftablette.

Bitte mehr Action am Buffet!
Wir wünschen uns beim Fressen etwas Kopfarbeit und Bewegung. Echte Beute im Wohnzimmer? Leider unrealistisch. Aber liebe Dosenöffner, es gibt Alternativen: Ein Lauerspiel vor der Mahlzeit, Antischlingnäpfe, Fummelbretter, Leckmatten oder Futterbälle. So sind wir gezwungen, unser Köpfchen anzustrengen, fressen langsamer – besonders vorteilhaft für jene unter uns, die ein bisschen zu viel Plüsch auf den Rippen tragen.
Auch wechselnde Futterplätze bieten Abwechslung: mal auf der Fensterbank, mal unterm Tisch, auf dem Regal oder dem Kratzbaum. Abwechslung hält uns wach und fröhlich.
Von Schnurrbarthaare und Whisker-Stress
Enge, tiefe Näpfe? Ein Graus! Unsere Schnurrbarthaare sind hochempfindlich – jede Berührung sendet Impulse ans Gehirn: „Achtung, Hindernis!“ Wenn sie ständig am Napfrand anstoßen, nervt uns das gewaltig. Weite, flache Keramikschalen sind eine Wohltat.
Und für die erfahrenen Senioren unter uns: Bitte erhöhte Näpfe. Gelenke zwicken, Sodbrennen droht, und sie möchten ihren Kopf nicht in Bodennähe verrenken müssen.
Langsam, meine Lieben – Änderungen mit Gefühl
Wir Katzen lieben Routine. Wer uns urplötzlich den Napf woanders hinstellt, hat unser misstrauisches Naserümpfen sicher. Veränderungen also bitte Schritt für Schritt. Erst zwei Futterplätze mit genügend Abstand, später ein paar neue Standorte.
Die Senioren unter uns könnten mit dieser Art Abwechslung ein Problem haben. Hier sollten wenn überhaupt, nur ganz kleine Veränderungen vorgenommen werden und diese sollten schrittweise eingeschlichen werden.
Bei uns lief das vorbildlich: Ulysseus und ich können nun frei wählen, wo wir dinieren – zusammen oder lieber privat. Die letzten Wochen haben aber gezeigt, dass wir in fast allen Fällen lieber allein fressen.
Leckerchen gibt’s nur noch in Denkspielen oder beim Schnüffeln. Der Napf wandert, wir bleiben neugierig.
Ergebnis: Stressfrei schlemmen
Seit der Umstellung fressen wir deutlich langsamer, lassen uns mehr Zeit und kommen öfter für einen kleinen Snack zurück. Ulysseus hat seitdem kein Mal mehr erbrochen und frisst gern mit der Wand im Rücken und Blick in den Raum – Katzensicherheit deluxe.
Unser Personal hat dazu gelernt, wir schnurren zufrieden, und das Abendessen schmeckt doppelt so gut.
Oberes Beitragsbild: © iStock/anastas_ -Tammy erklärt
Mittleres Beitragsbild: © iStock/CandyRetriever -Tammy erklärt

